Im vergangenen Semester habe ich ein Auslandssemester in China verbracht und wurde hierbei mit einem PROMOS-Stipendium unterstützt. Im Folgenden berichte ich Euch über meine Erfahrungen und Eindrücke aus den vergangenen fünf Monaten in Hechuan, China.
Warum China?
"Warum soll es überhaupt nach China gehen?", diese Frage bekam ich vor Antritt meines Auslandssemesters oft gestellt. Die Antwort dazu war mir von vornherein klar. Die Anzahl der Personen mit chinesischer Auslandserfahrung ist rar gesät, denn viele Studierende wählen für ihr Auslandssemester eher englischsprachige Länder aus. Gerade das könnte später den Unterschied bei dem Berufseinstieg machen. Des Weiteren war die Herausforderung meines Erachtens um einiges größer, nicht nur aufgrund der höheren Sprachbarriere. China ist ein einwohnerreiches Land, über 1,3 Milliarden Menschen leben dort. Vor meinem Auslandsaufenthalt dort war mir die chinesische Kultur ebenso fremd wie das politische System, mein Wissen über Land und Leute war geprägt von teils negativen Schlagzeilen aus den Medien und ich war deshalb umso gespannter darauf, was mich vor Ort tatsächlich erwartete.
Maurice (1.v.l.) und sechs weitere HSHL-Studierende verbrachten gemeinsam das Auslandssemester in China
Ein weiterer Grund für meine Wahl war der Schritt in die Selbstständigkeit und Flexibilität im Alltag, speziell in fremden Umgebungen. Nirgends gilt es sich mehr anzupassen, als in unbekannten Kulturen und Sozialstrukturen. Die chinesische Kultur ist vollkommen verschieden zur deutschen beziehungsweise allgemein westlichen Kultur. Zu sehen, wie Tradition und Moderne zusammen in der Gesellschaft widergespiegelt werden und wie nah teilweise die armen und die reichen Bevölkerungsschichten zusammen leben und arbeiten, über all das versprach das Auslandssemester Erkenntnis zu liefern.
Dass China ein wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner vieler namhafter Unternehmen ist, war ebenfalls ein Grund, die Universität in Chongqing (重庆) als Wunschstandort für das Auslandssemester zu wählen. Mit Kenntnissen über die Kultur, Gesellschaft und Gepflogenheiten Chinas, ist man vielen späteren Mitbewerbern auf eine Berufschance mindestens einen Schritt voraus und zeigt zudem, wie anpassungsfähig und flexibel man agieren kann, da dies bereits über die Dauer eines Semesters unter Beweis gestellt werden musste.
Die Gasthochschule
Als Austauschstudent der HSHL war ich nicht direkt im Zentrum vom Chongqing untergebracht, sondern im eher kleinen Hechuan, eine Kleinstadt mit "nur" 1,5 Millionen Einwohnern. Das Yitong Institut in Hechuan ist eine private Hochschule, welche sowohl den Namen der Chongqing University of Post and Telecommunication trägt, als auch die Studienrichtung vertritt. Seit der Gründung im Jahre 2000 ist die Anzahl der zu wählenden Studiengänge auf insgesamt 37 gestiegen, aufgeteilt in sechs eigenständige untergeordnete Institute. Aktuell studieren hier ungefähr 17.000 Studierende unter der Anleitung von 829 Lehrkräften. International bestehen Kooperationsverträge mit 15 weiteren Hochschulen aus Deutschland und den Vereinigten Staaten. Im Rahmen dieser Kooperation werden, wie in meinem Fall, ausländische Studierende am Yitong Institut aufgenommen und chinesische Studierende für weiterführende Studien an die Kooperationshochschulen gesandt.
Hechuan
Besonderes Augenmerk gilt dem chinesisch-deutschen Studienzentrum als untergeordnetem Institut innerhalb des Yitong Institutes. Dieses war Hauptaustragungsort jeglicher internationaler Ereignisse, zu denen ich als ausländischer Student eingeladen wurde. Die Studierenden, welche im Rahmen dieses Studienzentrums studieren, haben allesamt einen deutschen Studienschwerpunkt neben ihrer eigentlichen Fachrichtung. Der Campus bietet, neben etwa 20 Wohngebäuden zahlreiche weitere Einrichtungen, wie eine Bibliothek mitsamt großflächigen Arbeitsplätzen. Sportplätze zur Ausübung von Sportarten wie Basketball, Tennis, Badminton, Volleyball und Tischtennis sind zusammen mit dem zentralgelegenen Fußballplatz zur Freizeitgestaltung gedacht.
Außerdem bietet der Campus zu jeder Jahreszeit die Möglichkeit zu schwimmen, da es sowohl ein Hallenbad gibt, als auch ein Außenbecken. Des Weiteren sind über den gesamten Campus drei Mensen mit verschiedenen Angeboten und Preisklassen verteilt, welche zu jeder Tageszeit aufgesucht werden können. Neben unzähligen kleinen Verkaufsständen, welche von Studenten geführt werden, zählen auch ein Veranstaltungstheater und ein Kino zum Portfolio des Campus. Großzügige Grünflächen und Teichanlagen bieten bei schönem Wetter eine entspannte Atmosphäre. Cafés sind ebenfalls vorzufinden. Musikinteressierten Studierenden stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung und Mehrzweckräume werden zur Ausübung verschiedenster AG-Tätigkeiten genutzt.

Ausblick von der Bibliothek des Yitong Instituts auf einen Teil des Campus
Der Unterricht
Als Austauschstudent oder -studentin hat man am Yitong Institut natürlich auch Vorlesungen, welche im chinesischen Bildungssystem allerdings eher mit Schulunterricht zu vergleichen sind. In meinem Fall besuchte ich sowohl einen Sprachkurs zum rudimentären Erlernen der chinesischen Sprache, als auch einen Projektmanagement-Kurs, welcher auf Englisch gelehrt wurde. In beiden Fällen waren die Lehrkräfte mit gutem Englisch und genügend Auslandserfahrung gewappnet, um ausländische Studierende unterrichten zu können. Der Unterricht war gut strukturiert und spannend gestaltet. Neben den üblichen Lerneinheiten wurden auch Ausflüge unternommen, um Land und Leute besser kennenzulernen. Die hierbei gesammelten Erfahrungen waren eine große Hilfe im alltäglichen Leben.
Der Alltag
Nach kurzer Zeit hatte ich mich bereits eingelebt und fühlte mich nahezu heimisch, trotz der 12.000 Kilometer Entfernung nach Deutschland. Als Austauschstudent wurde ich sehr herzlich empfangen und ich schloss bereits in der ersten Woche viele neue Freundschaften. Auch das alltägliche Leben, mit all seinen Hindernissen und Problemen, machte viel Spaß und hatte nahezu täglich neue Situationen parat. Die Angst aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse im Alltag nicht zu Recht zu kommen, war völlig unberechtigt. Es sprach zwar niemand außerhalb der Hochschule Englisch, ich wusste mir jedoch sehr schnell zu helfen, um alltägliche Dinge, wie die Essensbestellung oder den Einkauf im Supermarkt, zu meistern. Gab es dennoch Probleme, konnte ich jederzeit einen "Sprachpartner" (Studierende, die für uns zuständig waren) fragen und somit auch diese Situation lösen.
"Das Spannendste am Alltag in China waren allerdings die unerwarteten Wendungen eines Tages. Man möchte vielleicht nur etwas einkaufen und findet sich zwei Stunden später an einem völlig fremden Ort mit äußerst gastfreundlichen neuen Freunden wieder und verbringt mit ihnen eine spaßige Zeit mit vielen neuen Erfahrungen und Eindrücken. Da dies häufig passierte, entstanden hierbei nicht nur viele verblüffende Geschichten, sondern auch einige neue Freundschaften."
Die HSHL-Austauschstudierenden unterwegs auf Sightseeing-Tour
Fazit
Denkt Ihr vielleicht gerade über ein Auslanssemester in China nach und seid Euch noch unsicher? Mein Tipp für Euch: Wenn China Euch interessant erscheint und Ihr selbst Spaß an neuen Lebenssituationen und Erfahrungen habt, ist der Schritt, sich für dieses Auslandssemester zu bewerben, eindeutig der richtige. Man wird mit offenen Armen äußerst herzlich empfangen und gewöhnt sich bereits sehr schnell an die neuen Umstände. Die dort gesammelten Erfahrung möchte ich keinesfalls missen und kann jedem Interessenten nur wärmstens empfehlen, den Schritt in das Reich der Mitte zu wagen.
Beitrag von Maurice Schön, "Wirtschaftsingenieurwesen", 5. Semester